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Könnte Südafrika ein Pionier im Krisenmanagement werden?

Aktualisiert: 6. Mai 2020

Südafrikaner sind widerstandsfähig und ohnehin krisenerprobt. Sie sind Meister darin, einen Plan B zu machen. Vielleicht könnte das Land zum Vorreiter werden?


Kapstadt ist die Stadt der Gegensätze, in einem Land der Gegensätze. Berge und Wälder, zwei Meere, Wüste und Savanne in einem ethnisch vielfältigen Land, mit einer ungleichen Gesellschaft. Oft steht Südafrika vor politisch, wirtschaftlich und gesundheitlich großen Herausforderungen. In der aktuellen Corona-Krise scheinen sich die meisten Menschen mit der Situation arrangiert zu haben. Seit sechs Wochen herrscht hier nicht nur Ausgangssperre (leichte Lockerungen seit dem 1. Mai), sondern auch ein Verbot des Alkoholverkaufs.

Das Dilemma:

1. Viele Menschen, wie etwa “Shebeen”- Betreiber (informelle Township-Bars) haben wegen des Verbotes kein Einkommen mehr.

2. Das Alkoholverbot entlastet die Krankenhäuser.

Lockdown in Kapstadt: Das Alkoholverbot entlastet die Krankenhäusert
Lockdown in Kapstadt: Das Alkoholverbot entlastet die Krankenhäuser

Noch sind die Krankenhäuser nicht überlastet

Präsiden Cyril Ramaphosa erklärte in einer Stellungnahme: „Alkohol ist an sich kein lebenswichtiges Gut, sondern ein Hindernis im Kampf gegen das Coronavirus.“

Der nationale Coronavirus-Rat NCCC (National Coronavirus Command Council) stimmt zu und bestätigt nachweisliche Rückgänge von Kriminalität und Straßenunfällen aufgrund von Alkoholmißbrauch.

Und ganz nebenbei sind die Krankenhäuser tatsächlich so leer wie selten zuvor. Normalerweise stehen 40 Prozent aller Besuche in Notaufnahmen in Zusammenhang mit Alkohol.

Alkoholverbot entlastet Krankenhäuser

Laut Experten funktioniert in Südafrika alles bislang recht gut. Probleme gibt es in den Armenvierteln, in Gegenden, in denen sich die Menschen keine Gesundheitsversorgung leisten können. Die öffentlichen Krankenhäuser sind sehr viel stärker unter Druck als die privaten.

Gesundheitsexpertin und Wissenschaftlerin an der Cape Peninsula University of Technology (CPUT) Dr. Glenda Davison bestätigt das: "Ich glaube, dass das südafrikanische Gesundheitsteam die Krise sehr gut meistert. Das Bewusstsein für höhere Bereitschaft ist definitiv da.“ Sowohl die Gesundheitsämter der Provinzen als auch auf nationaler Ebene, haben den absoluten Lockdown genutzt, um mehr Krankenhausbetten zu organisieren und sich auf die Corona-Krise vorzubereiten.

"Kapstadts Messezentrum (CTICC ) ist Kapstadts erstes "Feldkrankenhaus" und kann als temporäres 800-Betten-Krankenhaus genutzt werden.


Davison sagt, dass die Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Gesundheitswesen positive Auswirkungen auf Südafrika habe. Die Zusammenarbeit werde es ermöglichen, alle Gesundheitseinrichtungen für jedermann zur Verfügung zu stellen. Weiterhin betont sie Fortschritte beim Testen und Screening innerhalb der Gemeinden. "Wir können Corona-Hotspots und positiv getestete Personen identifizieren, die möglicherweise nicht in eine Klinik oder ein Krankenhaus gekommen sind.“

Südafrika hofft, das Wissen über HIV und TB im Kampf gegen Covid-19 nutzen zu können

Was jedoch noch immer fehlt, sind genug Beatmungsgeräte auf den Intensivstationen. Laut Davison sind die Krankenhäuser in Kapstadt noch nicht von Covid-19 Patienten überwältigt. Dies könne sich jedoch ändern, wenn die Infektionen zunehmen.

Seit dem 1. Mai gibt es vorsichtige Lockerungen der Ausgangssperre. Von 6 bis 9 Uhr darf man spazieren oder joggen. Einige Läden haben wieder geöffnet, Restaurants liefern Essen. Alkohol kann immer noch nicht gekauft werden. Die Folge: ein Schwarzmarkt für Alkohol.

Ob die Lockerungen das Gesundheitssystem extrem überfordern werden ist noch nicht ganz klar. Die Realität ist, dass dieses Virus nicht verschwinden wird, solange es keinen Impfstoff gibt.

Laut Davison war das Ziel des absoluten Lockdowns, dem Gesundheitssektor Zeit zur Vorbereitung zu geben.

Eine Aufrechterhaltung eines strikten Lockdowns werde andere Probleme mit sich bringen, wie z. B. zunehmende Armut, Verlust von Unternehmen und Arbeitsplätzen, so die Expertin. "Eine langsame Lockerung der Sperrmaßnahmen ist der beste Mittelweg, den wir hier gehen können. Wenn dies sorgfältig und mit ständiger Überwachung durchgeführt wird, können wir die Kurve immer noch abflachen. So überfordern wir das System nicht.”


"Wir scheinen uns als Nation immer zu vereinen, wenn Krisen auftreten. Dann arbeiten wir zusammen, um sie zu überwinden."

Seit dem 27. April unterstützen 200 kubanische Gesundheitsspezialisten Südafrika bei der Eindämmung von Covid-19. Eine weitere Strategie vieler Krankenhäuser: Nicht lebenswichtige Operationen verschieben. Dies hat es dem Gesundheitssektor ermöglicht, Geräte, Betten und Personal freizugeben, die nun für Infizierte zur Verfügung stehen.

Hat Südafrika einen Vorsprung durch Krisenerfahrung?

Südafrika ist krisenerprobt. Dies ist ein Vorsprung, den das Land im Gegensatz zu anderen hat. Die Maßnahmen zur Infektionskontrolle seien für Covid-19 und TB ähnlich, da sich beide Krankheiten in der Regel per Tröpfcheninfektion ausbreiten.

Das bedeutet, dass Pfleger, Krankenschwestern und Mediziner schon mit der Schutzausrüstung, die sie zur Behandlung von verdächtigen Covid-19-Patienten benötigen, vertraut sind. Südafrika setzt HIV und TB geschultes Gesundheitspersonal ein, um Menschen mit dem neuartigen Coronavirus aufzuspüren. "Unsere Erfahrung mit TB und HIV hat es uns ermöglicht, effiziente Methoden für das Community-Screening zu entwickeln. Wir können auch die Kontaktpersonen verfolgen. Mithilfe dieser Informationen können Epidemiologen die Ausbreitung und das Verhalten des Virus untersuchen und vorhersagen“, sagt Davison.

Wissenschaftler an der CPUT arbeiten an einer automatisierten Schnelldiagnose
Wissenschaftler an der CPUT arbeiten an einer automatisierten Schnelldiagnose

Das Africa Health Research Institute (AHRI) in Durban, Südafrika, konzentriert sich normalerweise auf HIV und TB. Aktuell arbeitet das gesamte Personal daran, die Pandemie zu bekämpfen. Mobile Kliniken, Gemeindearbeiter und Labore forschen an neuen Medikamenten gegen das Coronavirus. Und heute hat eine klinische Studie gegen Covid-19 mit Tuberkuloseimpfstoff gestartet. Die ersten 500 Probanden wurden schon geimpft. Die Studie wird von Andreas Diacon im Tygerberg-Krankenhaus in Kapstadt geleitet. Die Forscher wollen herausfinden, ob der TB-Impfstoff auch gegen das Coronavirus hilft. „Wenn wir die Covid-19-Symptome nur ein wenig mindern könnten, würde dies die Überlebenschancen von Menschen erhöhen. Oder sie müssten nicht einmal ins Krankenhaus oder würden gar nicht erst krank werden“, sagt Diacon. Die klinische Studie in Kapstadt erfolge an Pflegekräften, „weil wir glauben, dass sie am meisten exponiert sind."

Klinische Studie gegen Covid-19 mit Tuberkuloseimpfstoff gestartet

Die Wissenschaftler an der CPUT arbeiten an einer automatisierten Schnelldiagnose anhand von GeneXpert-Instrumenten, die zur Diagnose von TB eingesetzt werden. Xpert ist ein automatisierter kartuschenbasierter Nukleinsäureamplifikationstest, der in weniger als zwei Stunden im Speichel TB- und Rifampicinresistenz nachweist. Die Wissenschaftler untersuchen auch die Interaktion zwischen Covid-19, TB und HIV, da letztere in Südafrika stark verbreitet sind. "Jeden Tag lernen wir, wie wir durch unsere Forschungsergebnisse mit Betroffenen und Covid-19 umgehen können“.

Diese Corona-Krise hat in Südafrika Ungleichheiten deutlich gemacht. Die Herausforderungen hier unterscheiden sich von denen der meisten anderen Länder. Davison gibt sich zuversichtlich und ist überzeugt, das Südafrika ein Vorreiter im Krisenmanagement sein kann. Sie weiß, dass Südafrikaner krisenerprobt sind: “Wir Südafrikaner haben mit vielen Krisen und Nöten zu kämpfen, aber irgendwie scheinen wir uns als Nation immer zu vereinen, wenn Krisen auftreten. Dann arbeiten wir zusammen, um sie zu überwinden.“

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