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Transgender in Südafrika 


In Südafrika werden diese Menschen oftmals noch stigmatisiert. Manche leben aus Angst vor Ausgrenzungen im Verborgenen und fürchten sich vorm Outing. Wir haben mit zwei Transgender-Menschen über ihren Lebensweg gesprochen.


Eine Statistik, wie viele Transgender-Menschen in Südafrika leben, gibt es nicht. Sie werden mit anderen „in einer geschlechteruntypischen Weise“ zusammenlebenden Menschen wie Schwule, Lesben und Bisexuelle zur sogenannte „LGBT“-Gruppe zusammengefasst. Bei ihnen geht man von circa eine halbe Million Männern und fast 2,8 Millionen Frauen aus. Die Abkürzung „LGBT“ steht für „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender.“ Die Menschen der LGBT-Gruppe genießen in Südafrika die gleichen Rechte wie Heterosexuelle. Die Post-Apartheid-Verfassung war die erste der Welt, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbot und das fünfte Land der Welt, dass die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte. Trotz der gesetzlichen Regelungen müssen diese Menschen oftmals Ablehnung erfahren.


Auch heute noch erleben Transgender Menschen Ablehnung
Auch heute noch erleben Transgender Menschen Ablehnung

Kapstadt macht sich stark

Seit 2015 setzt sich in Kapstadt „GenderDynmaiX“ (GDX), die erste registrierte gemeinnützige Organisation in Afrika, ausschließlich für Transgender und andere geschlechtsspezifische Gemeinschaften ein. Was als bloße Vision begann, hat sich seitdem als feste Institution mit inzwischen zwölf Vollzeitmitarbeiterin etabliert.


„In den vergangenen 16 Jahren hatten wir eine starke Erfolgsbilanz was die Aufklärung und das Verständnis für diese Menschen in unserem Land angeht“, berichtet Khanyisile Phillips, eine Transgender-Frau und Angestellte bei GDX.

Wichtig sei der Organisation die Selbstidentifikation und Bestimmung der Menschen, die sich an sie wenden würden, sowie der Respekt der Vielfalt und der Inklusion von Anderen. Ihre Arbeit habe dazu geführt, dass sich mehr Menschen trauen würden, sich zu outen oder zu sagen, wer sie seien. Dennoch sei das Leben dieser Menschen nach wie vor noch von Stigmatisierung, Diskriminierung, Belästigung und auch von Gewalt gekennzeichnet. Zwar sei Gewalt gegenüber diesen Person, auch in der Verfassung verboten und werde bestraft, aber in der Realität sehe das oft ganz anders aus.


„Transgender Personen sind besonders anfällig für geschlechtsspezifische Gewalt in unterschiedlichsten Formen, z.B. Transfrauen in der häuslichen Gewalt“, sagt sie.



Darüber hinaus, gebe es transphobe Gewalt, weil diese Menschen, außerhalb der traditionellen Definition von Mann oder Frau stünden und angesehen werden.


Es gebe zwar die Möglichkeit für Transgender, sich einer geschlechtsangleichenden Operation im Land zu unterziehen, die auch über das öffentliche Gesundheitssystem finanziert werde, aber die Wartelisten für solche Operationen seien sehr lang und würden im Schnitt 20 Jahre betragen. Es aus eigener Taschen in einer Privatklinik zu bezahlen, sei für viele dieser Menschen finanziell nicht möglich.


Nokwanas Wandlung von der Frau zum Mann

Einer dieser Transgender-Menschen ist der 23-jährige Noks Zothani Simelana.

Er hat vor vier Jahren einen eigenen YouTube-Kanal gegründet und erzählt hier von

seinen Erfahrungen bei der Geschlechtsumwandlung. Damit möchte er anderen Betroffenen Mut machen. Er selbst hat mit 15 Jahren verschiedene Videos von einem Jungen aus den USA gesehen. Sie haben ihm gezeigt, dass er damit nicht alleine ist und ihm geholfen, sich klar darüber zu werden, was mit ihm los ist. „Ich bekomme nur positives Feedback“, sagt er. Wenn er mal eine Weile nichts poste, würde er von seinen Abonnenten gegeben, wieder was zu veröffentlichen. Sie seien sehr engagiert und würden ihn motivieren, mit seinem Kanal weiterzumachen.



Früher hieß er „Nokwana.“ Er lebt in der kleinen Stadt Pietermaritzburg in KwaZulu-Natal. Die geschlechtsumwandelnde Operation hat er zwar noch nicht vollzogen, aber seit einigen Jahren spritzt sich Noks das männliche Hormon Testosteron. Das hat bei ihm schon zum Stimmbruch, zur Gesichtsbehaarung und zu maskulinen Gesichtszügen geführt.


Erste Anzeichen kamen früh in der Kindheit

Bereits mit sieben oder acht Jahren bemerkte Nokwana bereits, dass mit ihr was anders war, als mit ihren Spielkameraden, denn wenn sie ein Spiel spielten, in dem es darum ging, ein Familienmitglied darzustellen, wollte sie entweder der Vater oder Bruder sein.


„Mein Charakter musste immer männlich sein“, sagt Noks.

Noks ist ein junger Mann und mit seinem YoutubeKanal erfolgreich.


Manchmal, sagt Noks, habe er sich damals sogar Stöcke in die Hose gesteckt, um seinen nicht vorhandenen Phallus zu symbolisieren. Er habe sich nicht viel daraus gemacht, denn es sei ja nur ein Spiel gewesen. Beim Versuch im Stehen zu pinkeln, sei er kläglich gescheitert. Seine Familie habe ihm dann irgendwann den

Spitznamen „Tomboy“ verpasst, weil er sich lieber wie ein Junge kleidete, mit Jungenspielzeug spielte und sich lieber mit Jungen als Mädchen umgab.


„Meine Familie dachte, ich würde aus dieser Phase herauswachsen, aber im

Gegensatz zu anderen Mädchen, die auch mal als Tomboy bezeichnet werden, weil sie ein Stadium der Orientierung durchlaufen, tat ich das eben nicht“, sagt er.


Hinweis: Als „Tomboy“ werden im englischsprachigen Raum i.d.R. Mädchen und Frauen bezeichnet, die sich jungenhaft verhalten, also sich nicht entsprechend der von der Gesellschaft vorgegebenen Geschlechterrolle.


Die Erkenntnis im falschen Körper zu sein

Da er sich sexuell auch zu Frauen hinzuzogen fühlte, dachte er zunächst, er sei

bisexuell. Wenn er mit einer Frau schlief, fühle es sich für ihn nicht richtig an.


„Ich hatte einfach das Gefühl, das etwas fehlte und ich die falschen Genitalien hatte, um Geschlechtsverkehr zu praktizieren“, erzählt er.


Es habe ihm das Herz gebrochen, sich vor den Spiegel zu stellen und seinen Körper zu betrachten. Seine Unzufriedenheit, sagt er, habe dazu geführt, dass er ein schüchterner Mensch war, der die Aufmerksamkeit hasste, weil er sich für ihn so angefühlte, als würde er mit einer Lüge leben. Es sei wie ein Doppelleben gewesen.


„Die Leute sahen nur einen Teil von mir, von dem ich mir wünschte, er würde verschwinden“, sagt er.


Als er dann mit 15 anfing zu recherchieren und Videos von einem amerikanischen YouTuber sah, der Transgender war, machte es „klick“ bei ihm und er wusste, dass es ihm genauso ging. Er war im falschen Körper gefangen.


Sein Outing und die Reaktionen

Es sei für ihn nervenaufreibend gewesen, sich zu outen. Das habe er zuerst bei Freunden gemacht. Erst einige Jahre später dann bei seiner Familie.


„Eine Freundin war sehr unterstützend und gab mir das Vertrauen, es auch vier Jahre später bei meiner Mutter zu tun“, erzählt Noks.


Er habe ihr einen Brief geschrieben und ihr alles erklärt. Seine Mutter habe es akzeptiert und seinen Entschluss unterstützt. Das habe ihm mit dabei geholfen, mehr Selbstbewusstsein zu gewinnen und sich auch öffentlich zu outen.


„Bis zum heutigen Tag geben mir meine Freunde die größtmögliche Unterstützung und ich weiß das zu schätzen“, sagt er.


Es habe auch ein paar wenige negative Reaktionen auf sein Outing gegeben. Seine Ex-Freundin habe ihn als „Freak“ bezeichnet.


„Wenn sich Leute entscheiden, sich zu distanzieren, werde ich mich davon nicht beeinflussen lassen“, sagt er ganz selbstbewusst.


Transgendermenschen, so Noks Erfahrung, werden stigmatisiert und die Leute könnten damit, im Gegensatz etwa zu den USA noch nicht viel anfangen.

„Da die USA ein Land der ersten Welt sind, glaube ich, dass sie sich in vielen Aspek-ten schneller entwickelt haben als Südafrika, was ein Drittes-Welt-Land ist“, sagt er.


LGBT-Themen werden immer noch als fremd behandelt und Menschen, die dieser Gemeinschaft angehören, würde oftmals noch aus Angst vor Ausgrenzung im Verborgenen leben. Dies, sagt Noks, würde sich aber Tag für Tag langsam ändern.


Neue Sichtweisen als Mann und Pläne für die Zukunft

Noks sagt, dass er zu 100 Prozent glücklich sei, ein Mann zu sein, auch wenn er weiß, dass mit seinem neuen Geschlecht auch negative Dinge verknüpft seien.


„Das, was mich nicht stolz an meinem neuen Geschlecht macht ist, dass Männer für die Tötung, Vergewaltigung und die häusliche Gewalt verantwortlich sind“, sagt er.

Diese Dinge seien gerade in Südafrika ein Problem. Er habe sich vorgenommen, anders zu sein, als all diese Männer, die solche grausamen Verbrechen begingen. Sobald er es sich leisten können, möchte der 23-Jährige in einer Privatklinik die geschlechtsumwandelnde Operation durchführen lassen. Zwar wäre das auch einem normalen Krankenhaus möglich, aber er würde sich in einer Privatklinik wohler fühlen, die sich noch sorgsamer kümmern würde. Erst möchte er sich die Bürste annehmen lassen und sich dann einen Phallus konstruieren lassen.


„Ich wachse täglich und lerne jeden Tag mehr darüber, ein Mann zu sein“, sagt er.


Apryl entscheidet sich von einem Mann zu einer Frau zu werden

Die Verwandlung von Mann zu Frau: Apryl studiert heute Modedesign.
Apryl studiert heute Modedesign.

Den umgekehrten Weg, also von einem Mann zu einer Frau, hat Apryl Tshabalala gewählt.

Früher hieß sie Xoland Bongani, heute Apryl. Die 30-Jährige stammt aus Durban und studiert Modedesign und Kunst an der Tshwane Universität in Pretoria.

In Südafrikas Hauptstadt hat sie 2016 ihre geschlechtsangleichenden Operationen durchführen lassen, weil es vorher in ihrer Region nicht möglich war.

Entfernt wurden ihr bisher ihr Phallus und die Hoden. Einen Brustaufbau hat sie nicht vornehmen lassen. Vor den operativen Eingriffen hat Apryl viele Therapiesitzungen wahrgenommen und sich einer langwierigen Hormonersatztherapie unterzogen. Dieser Prozess sei für sie alles andere als einfach gewesen, musste sie doch zeitweise mit Dysphorie, einer Störung ihres emotionalen Empfindens kämpfen.


Erste Anzeichen des Andersseins

Die Studentin habe die ersten Anzeichen des Andersseins schon im Alter von sechs Jahren gespürt, als sie zum ersten Mal den Unterschied zwischen den

Geschlechtern entdeckte.


„Ich habe mich mehr zu weiblichen Dingen hingezogen gefühlt, hatte mehr weibliche als männliche Freunde und habe gerne mit Puppen gespielt. All das aber heimlich“, erzählt Apryl.

Schon als kleines Kind hat sich Apryl weiblich gefühlt und gerne mit Puppen gespielt.


Das Outing als schwierige Hürde

Sie habe sich durch einen zufälligen Post auf ihrer Facebook-Seite zunächst als schwul geoutet, dass allerdings revidiert, als sie merkte, dass es doch nicht so war.


„Ich dachte, ich bin schwul, weil das meinem eigenen Verständnis wie ich mich gefühlt habe, am nächste kam“, sagt sie.


Später habe sie gemerkt, dass sie sich nicht zu schwulen Männern

hingezogen fühlte, sondern als Frau zu heterosexuellen Männern. Damals sei sie 19 Jahre alt gewesen. Die Angst sich als Frau zu outen, sei für sie groß gewesen. In dieser Zeit, erzählt Apryl, habe sie sich auch von Dates ferngehalten.

Als ein Jahr später ihr Outing kam, habe ihre Familie eine Weile gebraucht, um sich an die Veränderung ihrer Identität zu gewöhnen. Das Volk der Zulu habe einen strengen traditionellen Hintergrund, der einem sehr patriarchalischem System folge. „Transsexualität ist etwas, dass die meisten Zulu nicht kennen“, sagt sie. Es werde in ihrer Kultur tabuisiert. Aber ihre Familie habe es inzwischen akzeptiert.


Negative Reaktionen und Ablehnung

Die 30-Jährige musste allerdings Ablehnung von anderen Leuten erfahren.

„Es war entmutigend, dass sich die Leute ständig über mein Aussehen oder mein Auftreten lustig machten und ich Diskriminierung vor meiner OP erfuhr“, sagt sie.


Organisationen und Programme

Sie habe erlebt, dass ein großer Teil der südafrikanischen Bevölkerung transsexuelle Menschen stigmatisiere, zum Beispiel mit Verunglimpfungen oder das Thema werde schlichtweg als Tabu gesehen. Aber sie sagt, es gebe Organisationen, wie

„Access Chapter 2“ in Pretoria, die sich um die Sensibilisierung und den Schutz der Rechte von geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Menschen kümmern. Darüber hinaus, gebe es sogenannte „Sensibilisierungsprogramme“, die im öffentlichen Dienst durchgeführt werden würden, um Beamte für diese Menschen und wie sie sie unterstützen können, zu sensibilisieren.


Dem Traum immer näher Die 30-Jährige ist ihrem Ziel, eine Frau zu sein, schon sehr nahegekommen. Jetzt fehlt ihr nur noch der operative Eingriff an der Vagina und den Scharmlippen. Die weiblichen Geschlechtsorgane müssen noch angepasst werden, damit sie voll-ständig eine Frau sein kann. Den Eingriff möchte sie im Ausland durchführen lassen.


„Eine Frau zu werden, war für mich eine so befreiende Erfahrung. Vor allem die Entdeckung der Weiblichkeit. Ich war glücklich mit all den Veränderungen“, sagt sie.


Wenn sie heute in den Spiegel schaue, habe sie ein gutes Gefühl. Es sei genau das gewesen, von dem sie immer geträumt habe. Ihre Pläne für die Zukunft seien, ihr Studium zu beenden, in die Wirtschaft einzusteigen und eine eigene Familie zu gründen, indem sie vielleicht ein Kind adoptiere.


Die größte Unterstützung erfahre sie jetzt von ihrem Freund, der auch Transgender sei und den sie vor Jahren über „Access Chapter 2“ kennen gelernt habe.


Ihr Ratschlag an Andere

Sie rät Anderen, die diesen Schritt ebenfalls wagen wollen, zuerst eine psychiatrische Therapie zu machen, denn das sei die wichtigste Phase auf dem Weg zur Geschlechtsumwandlung. Es sei wichtig, so Apryl, keine Phase des Prozesses zu überspringen, grade auch im Hinblick auf die medizinische Veränderung.


„All die Prozesse benötigen Zeit. Es ist wichtig, freundlich und geduldig zu sich selbst zu sein. Es geht um nichts weniger als die eigene Gesundheit“, sagt sie.


Heißer Tipp: Wenn Du mehr zum Thema erfahren möchtest, gibt es verschiedene Organisationen wie zum Beispiel „Gender DynamiX (GDX)“ in Kapstadt, „Access Chapter 2“ in Pretoria und „TransHope“ in Durban.

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