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Freedom-Day: „Madiba – Das Vermächtnis des Nelson Mandela“

Aktualisiert: 28. Apr. 2021

Der preisgekrönte Regisseur und Filmemacher Khalo Matabane hat zahlreiche Dokumentationen, Serien und Filme realisiert. Er verrät uns was der Freedom Day und Freiheit für ihn bedeuten und wie sehr ihn die Dreharbeiten selbst bewegt haben.


Jedes Jahr am 27. April wird in Kapstadt und Südafrika der Freedom Day gefeiert. Dieser Tag kennzeichnet die erste demokratische Wahl im Jahr 1994, die Freiheit vom Kolonialismus und die mutigen Männer und Frauen, die für die Befreiung der Unterdrückten gekämpft haben.


Mit rhetorischen Fragen wie „Tata Mandela, was soll man mit den Tätern machen, die während der Apartheid Gräueltaten begangen haben und keine Reue zeigen?“, versucht Regisseur Khalo Matabane in seinem Dokumentarfilm „Madiba – Das Vermächtnis des Nelson Mandela“ die Frage nach Mandelas Vision von Freiheit zu beantworten. Matabane führt im Film stellvertretend für die Zuschauer rhetorische Zwiegespräche mit dem ehemaligen Präsidenten und versucht damit die Ideen Mandelas visualisieren.

Im Jahr 2013 ist die Dokumentation „Madiba – Das Vermächtnis des Nelson Mandela“ erschienen. Rund zwei Jahre lang hat der leidenschaftliche Filmemacher für diesen Film recherchiert, Dokumente gesammelt und Interviews geführt. Zu Wort kommen in der 1,5-stündigen Dokumentation große Staatsmänner wie der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, der ehemaligen US-Außenminister Dr. Henry A. Kissinger und das geistliche tibetanische Oberhaupt, der Dalai Lama, sowie nationale und internationale Künstler und Opfer des Apartheid-Regimes. Diese Aussagen sind angereichert mit Originalfotos und Originalfilmaufnahmen Mandelas. Dafür hat Matabane extra Archivforscher beauftragt, die das Material von Sendern eingekauft haben. In der Doku lässt Matabane auch seine eigenen Erinnerungen an die Zeit mit einfließen.


Regisseur und Filmemacher Khalo Matabane Foto: Oscar Gutierrez
Regisseur und Filmemacher Khalo Matabane Foto: Oscar Gutierrez

Wie bist Du eigentlich zum Filmemachen gekommen?

Ich bin ein Dorf-geschichtenerzähler aus Limpopo, der die Leidenschaft fürs Erzählen von seiner Oma geerbt hat.

Meine Großmutter hat mich in meinen ersten

Kindheitsjahren großgezogen und war eine erstaunliche Geschichtenerzählerin.


Irgendwann wusste ich dann, dass ich Geschichten erzählen will, aber der Film war nicht meine erste Wahl. Ich wollte erst Dichter werden, dann Romane schreiben. Als ich 14 Jahre alt war, zog ich zu meiner Mutter nach Johannesburg und sah den Costa Gavras Film „Z“ (Polit-Thriller) und Spike Lees „Do the right thing“ (Comedy-Drama) und dann war es mit dem Film um mich geschehen. In dem Dorf, wo ich in Limpopo großgeworden bin, gab es nämlich kein Fernsehen oder Kino, nur Zeitungen, Radio und Bücher. Ich habe mir daher jeden Abend Hörbücher angehört.

Wie bist dazu gekommen, diesen Dokumentarfilm zu realisieren?

Ich habe unter anderem den ehemaligen US-Außenminister A. Henry Kissinger (1973-1977), den anderen ehemaligen US-Außenminister Collin Powell (2001-2005) und den nigerianischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Wole Soyinke interviewt. Eigentlich habe ich noch mehr Leute interviewt, aber einige haben es dann doch nicht aus Platzmangel in den Film geschafft. Der Dokumentarfilm ist ein Versuch, Themen wie Freiheit, Vergebung, Versöhnung und Erinnerung durch eine große ikonische Figur wie Nelson Mandela zu erforschen.


Wie hast Du die Apartheid als Kind erlebt?

Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen und es gab keine Weißen. Aber wenn ich mit meinen Großeltern in eine größere Stadt ging, standen wir vor dem Laden und kauften unsere Sachen durch das Fenster, während die Weißen durch die Tür reingingen und drinnen einkauften. Das war eine schmerzhafte Erfahrung.

Welches Bild hast Du von Nelson Mandela?

Ich durfte seinen Namen als Kind nicht erwähnen, nicht mal vor meinen Freunden, dabei wollte ich mehr von ihm erfahren. Fotos gab es ja damals keine. Also malte ich mir ein eigenes Bild von ihm, halb Mensch, halb Tier, mit einem riesigen Auge auf der Stirn, dass alles sah. Als Teenager hörte ich zum ersten Mal seine Stimme beim Rivonia-Prozess im Radio. Ich hörte es mir immer wieder und wieder an. Dann erinnere ich mich an dem Tag, als er 1990 aus der Haft entlassen wurde und ich ihn zum ersten Mal im Fernsehen sah. Er sah normal aus, wie mein eigener Großvater.

Regisseur Khalo Matabane durfte als Kind Nelson Mandela nicht erwähnen. Foto: Nicolaas Hofmeyer
Regisseur Khalo Matabane durfte als Kind Nelson Mandela nicht erwähnen. Foto: Nicolaas Hofmeyer

Nelson Mandelas Vermächtnis ist wie bei jeder Ikone umstritten. Für mich schätze ich seinen Beitrag, während ich älter werde, immer mehr. Ich betrachte ihn als menschliches Wesen, nicht als Gott. Menschliche Wesen sind von Natur aus unvollkommen.


Was halten die Südafrikaner von Nelson Mandela?

Es gibt im Moment viel Wut in Südafrika und oft höre ich Sätze wie „Mandela hat sich verkauft.“ Ehrlich gesagt, ist das Unsinn. Richtig ist, dass die Schwarzen bei den Verhandlungen, die zu unseren ersten demokratischen Wahlen geführt haben, zu kurz gekommen sind. Aber eine Person für das Scheitern eines Landes verantwortlich zu machen, ist nicht nur unfair, sondern geht weicht von der Geschichte ab.

Ich frage oft Leute, die sagen, Nelson Mandela habe sich verkauft auf Kosten des Beitrags, den ihre Eltern und Großeltern beim Kampf geleistet haben.


Andere Meinungen über Mandela aus dem Film:

„Nelson Mandela hat eine nahezu magnetische Anziehungskraft. Wenn er Dich ansieht und grüßt, denkst Du, er würde Dich kennen.“ (Zitat von Greg Marinovich, südafrikanischer Fotojournalist aus dem Film)


„Mandela hat viel durchgemacht. Eigentlich hat er alles durchgemacht. Alle Stadien der Revolution und des Schmerzes. Mandela ist ein Mann, dessen Augen wirklich offen sind.“ (Zitat von Prof. Arial Dorfmann, chilenischer Schriftsteller aus dem Film)


„Mandelas Größe bestand darin, dass er diese Version hatte, Freiheit in sein Land zu bringen und ehemalige Unterdrücker wie Gleichgestellte zu behandeln, ohne Rache zu fordern.“ (Zitat von Ex-US-Außenminister Dr. Henry Kissinger aus dem Film)


Es gibt in dem Film aber auch kritische Stimme, die sagen, Mandela hätte nicht nur vergeben sollen, sondern nach der Apartheid die Täter bestrafen und so für Gerechtigkeit sorgen sollen.


„Um wahre Versöhnung zu erreichen, müssten wir zu den weißen Landsleuten in Südafrika sagen, gebt uns unser Land, Kühe, Träume und Pläne zurück, die ihr von uns gestohlen habt.“ (Zitat aus dem Film von Nkwame Cedile, südafrikanischer Aktivist für soziale Gerechtigkeit)

Du beschäftigst Dich jetzt stärker mit dem Thema „Apartheid?“

Ich habe neben dieser Dokumentation über Mandela, auch noch ein vierteiliges

TV-Drama „When We Were Black“ („Als wir schwarz waren“) gemacht, eine bewegende Liebesgeschichte, die sich inmitten einer schweren Revolte abspielt. Die rein fiktive Geschichte über den Vorabend der Studentenunruhen in Soweto 1976, wurde am 21. Dezember 2006 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt und gewann sieben Preise, u.a. beste TV-Dramaserie und beste Regie bei den South African TV and Film Awards. Es gibt eine Szene in meiner TV-Dramaserie, in der die Polizisten einen schwarzen Vater

auffordern, vor seiner Familie wie ein Affe zu tanzen. Das ist eine Demütigung.

Anschließend bekam ich einen Anruf von Winnie Mandela, der ehemaligen Frau des Präsidenten, die mich zu sich nach Hause zum Frühstück einlud. Sie erzählte mir, dass sie nicht aufhören konnte zu weinen, als sie die Serie sah. Sie ist eine unglaubliche Frau.


„Es gibt drei Filme, die ich in meinem Leben noch machen möchte, über Winnie Mandela, über Che Guevara in Afrika und meine verstorbene Großmutter.“

Wie sieht es bei Dir mit der Vergebung durch die Taten des Apartheid-Regimes aus? Das wird ja im Film thematisiert, unter anderem mit Opfer des Regimes. Eine Frau verlor ihre Schwester, eine Mutter ihren Sohn.

Jetzt, wo die Zeit vergangen ist, habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich mit Vergebung kämpfe. Ich finde es schwierig, zu vergeben. Ich bin nicht jemand, der leicht vergibt. Ich verstehe und schätze, weshalb Nelson Mandela vergeben musste.

Ich denke, die meisten weißen Menschen haben Nelson Mandelas Ideen der Vergebung missverstanden. Sie hielten es für ein Zeichen der Schwäche.


Heute denke ich, dass das Land weiterhin rassistisch gespalten ist. Die Weißen in der Mehrheit verstehen nicht den Schmerz und welche Opfer, die Schwarzen bringen mussten.


Viele Weiße sind heutzutage gleichgültig gegenüber Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit, aber ich glaube wirklich nicht, dass ich das Recht habe, Kommentare oder oder Ratschläge über Rassismus für Weiße zu geben.

Ich habe den Prozess gegen den Polizisten von George Floyd verfolgt. Als schwarzer Mann kann ich das nachvollziehen, was ihm da geschehen ist. Das Genie der Staatsanwaltschaft war es, den Prozess nicht zum Thema Rasse zu machen. Sie konzentrierten sich auf den Mord. Und Experten als Zeugen zu holen, war ein brillanter Schachzug. Jeremy Blackwell und seine Kollegen haben einen unglaublichen Job gemacht.


„Ich erinnere mich, wie mir eines Morgens die Polizei im New Yorker Stadtteil Brooklyn folgte, als ich spazieren ging. Und das Gleiche passierte mir einige Male nachts ins Kapstadt.“


Das Genie der Staatsanwaltschaft war es, den Prozess nicht zum Thema Rasse zu machen. Sie konzentrierten sich auf den Mord. Und Experten als Zeugen zu holen, war ein brillanter Schachzug. Jeremy Blackwell und seine Kollegen haben einen unglaublichen Job gemacht.


Eine Mutter, die ihren Sohn durch das Apartheid-Regime verloren hat, sagt: „Erst ist man wütend, dann kann man vergeben. Aber man vergisst nicht.“

(Charity Kondile, Mutter eines Apartheid-Opfers, Zitat aus dem Film)

Charity Kondiles Sohn wurde Opfer des Apartheidregimes Foto: Roy Zetisky
Charity Kondiles Sohn wurde Opfer des Apartheidregimes Foto: Roy Zetisky

Wie hast Du die Wahl und die Zeit danach empfunden, als Nelson Mandelas zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt wurde?

Im Jahr 1994 durfte ich zum ersten Mal wählen und ich war total begeistert über die Aussichten für mein Land. Ich dachte, die Wahlen würden meinem Volk die Freiheit bringen und uns von dem Alptraum der Apartheid befreien, unter dem wir Jahrzehnte lang gelitten haben.


Die 1990er-Jahre waren wie ein Traum. Ehrlich gesagt, habe ich das als beste Periode in der südafrikanischen Geschichte miterlebt. Es war ein lustiger Zeitabschnitt. Es war eine Zeit des großen Optimismus, der Aufregung und der Hoffnung. Ich habe auch die Wahl Barack Obamas im Jahr 2009 zum Präsidenten miterlebt. Beide dieser Perioden, ob in Südafrika oder in den USA, sind erinnerungswürdig. Für mich Südafrika natürlich mehr, weil es mein Land ist und ich es liebe. Die Stimmung hier war einfach irgendwie elektrisch und magisch.

Und wie haben das die Leute damals empfunden?

Die Leute sagen oft, dass sich nicht verändert hat, aber sie sind unehrlich. Vieles hat sich verändert, manches zum Besseren, manches zum Schlechteren.

Wie siehst Du die Situation heute für Schwarze in Südafrika?

Freiheit ohne wirtschaftlichen Zugang zu haben, ist bedeutungslos. Genauso wie Menschenrechte ohne wirtschaftliche Macht. Wenn Schwarze Land fordern, dann fordern wir in Wirklichkeit Zugang zu Reichtum. Land ist nicht nur Reichtum,

sondern hilft mir zum Beispiel, mich mit meinen Großeltern zu verbinden, die im Dorf in Limpopo begraben sind. Ich gehe oft zum Grab meiner Oma, um an die schönen Erinnerungen, die wir gemeinsam hatten, zu denken. Ihr verdanke ich einen großen Teil von dem, was ich heute bin.

Wie siehst Du die Entwicklung des Genres Film und was sind deine nächsten Projekte?

Ich glaube ehrlich gesagt, dass das Kino, wie wir es kennen, tot ist. Die Technologie und die neue Generation junger Leute, die das Publikum sind, wollen nicht mehr zwei Stunden lang sitzen und Popcorn essen, um einen Film zu sehen. Das Kino muss sich weiterentwickeln. Kino muss interaktiv sein. Das Kino muss sich von der Selbstverliebtheit lösen und überlegen, wie man ein junges Publikum auf innovative und kreative Weise erreichen kann. Das ist mein neues Interessengebiet. Jüngste Untersuchungen in den USA zeigen, dass junge Leute lieber Videospiele spielen als Filme oder Fernsehserien zu sehen.


Heißer Tipp: Der Freedom-Day wird jährlich am 27. April gefeiert und zählt zu den insgesamt zwölf Feiertagen Südafrikas. Er feiert die Freiheit und erinnert an die ersten Post-Apartheid-Wahlen, die an diesem Tag im Jahr 1994 stattfanden. Mehr über Feiertage in Südafrika liest Du bei uns.



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