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Nach Großfeuer in Kapstadt: Wertvolle Dokumente gerettet

Aktualisiert: 23. Juni 2021

Die Kölner Restauratorin Tina Löhr flog Ende April nach Kapstadt, um bei der Rettung der einzigartigen Archivschätze der Jagger-Bibliothek mitzuhelfen.


Restauratorin Tina Löhr bei der Arbeit Foto: privat
Restauratorin Tina Löhr stellt alles aus Papier wieder her. Foto: privat

Als die Kölnerin Tina Löhr in den Nachrichten erfuhr, dass ein Großfeuer in Kapstadt auch große Teile der 200 Jahre alten Jagger Bibliothek der Universität zerstört hat, stand für die 46-Jährige fest, dass sie helfen muss. Für sie war es einfach eine Herzensangelegenheit.


„Ich habe den Verlauf genau beobachtet und war erschrocken, als ich erfuhr, dass diesmal auch Gebäude betroffen sind. Das ist ja eher selten bei den Bränden am Tafelberg.“


Der Großbrand an der Uni Kapstadt hat zahlreiche Dokumente der jüngsten Geschichte des Landes vernichtet und den Lesesaal der Jagger-Bibliothek zerstört. Die Wände waren rußverschmiert, überall lag Asche. In mehreren Gebäuden der Universität Kapstadt hat das Feuer gewütet.


Fotos: Jagger-Bibliothek Kapstadt


Laut der Sprecherin der Jagger Bibliothek, Theresa Schoeman, seien bei dem Brand im April, der 2011 renovierte Lesesaal der Bibliothek komplett zerstört worden und darüber hinaus, circa Zweidrittel der Bibliothek für Afrikastudien, die sich dort befunden hätten, sowie ein Teil der Manuskriptsammlung und die komplette Filmsammlung für Afrikastudien. Schlimmeres konnte nur verhindert werden, weil sich Sicherheitstüren nach dem Feueralarm automatisch schlossen.

Das Feuer hat auch den Lesesaal zerstört. Foto Jagger-Bibliothek Kapstadt
Das Feuer hat auch den Lesesaal zerstört. Foto Jagger-Bibliothek Kapstadt

Auch die Büros und Arbeitsräume der Abteilung für Sondersammlungen seien dem Feuer zum Opfer gefallen. „In den beiden Untergeschossen im Keller hat es nicht gebrannt, aber durch die Löscharbeiten, kam es dort zu erheblichen Überschwemmungen“, sagt sie.

Durch Löscharbeiten kam es zu erheblichen Überschwemmungen. Foto: Jagger-Bibliothek Kapstadt
Durch Löscharbeiten kam es zu erheblichen Überschwemmungen. Foto: Jagger-Bibliothek Kapstadt

Der gesamte Bücherbestand habe geborgen und ausgelagert werden müssen. Dies habe die Hilfe von Restauratoren erforderlich gemacht, die wenig später auch kamen, wie eben auch Tina Löhr aus Deutschland.


Wie viel von den Publikationen letztlich Endes dadurch gerettet werden konnte, sei unklar. Um alles wiederherzustellen, sei jetzt ein zweijähriges Wiederherstellungsprojekt in den neuen Räumlichkeiten ins Leben gerufen worden.


Bereits eine Woche nach dem Brand packte die Restauratorin ihre Sachen und flog nach Kapstadt, um dort eine Woche lang mit lokalen Experten zu retten, was noch zu retten ist. Die Reise hat sie aus eigener Tasche bezahlt. Tina Löhr hat 2003 ihr Diplom in Restaurierung an der Fachhochschule Köln gemacht und arbeitet heute als freiberufliche Restauration. Sie stellt alles aus Papier wieder her, egal ob Bücher, Akten oder Grafiken. Ihre Auftraggeber sind Archive und Bibliotheken. Die Diplom-Restauratorin hat unter anderem bei der Wiederherstellung wertvoller Bücher und Dokumente nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 mitgeholfen.

Wie sind Sie dazu gekommen Restauratorin zu werden?

Die Restaurierung war eigentlich eher ein Zufall, da ich während meiner Schulzeit eine Restauratorin kennen gelernt habe. Ich fand ihre Arbeit sehr interessant. Dort habe ich dann immer in den Ferien gearbeitet und bin dadurch zum Beruf gekommen. Ich bin schon immer sehr Bücher-affin gewesen. Nach der Schulzeit habe ich eine Buchbinder-Lehre als Vorbereitung aufs Studium gemacht.

Was begeistert Sie an dem Beruf bis heute?

Mich begeistert an dem Beruf bis heute, dass die Arbeit sehr vielseitig ist. Diese Vielseitigkeit ist eigentlich das, was mir dabei Spaß macht.

Wie kam das jetzt mit dem helfen wollen?

Als ich die Bilder gesehen habe, war mein erster Gedanke auf jeden Fall, gerne helfen zu würden. Ich habe dann die Restauratorin Doktor Dale Peters kontaktiert, bei der ich gearbeitet habe, als ich während meines Studiums zwei Monate in Durban war.

Es wurde eine Windows-Teams-Gruppe mit mehreren internationalen Restauratoren ins Leben gerufen. Von den Kollegen war aber außer mir kaum jemand vor Ort. Online stand ich aber mit den Kollegen aus den USA und den Niederlanden im Austausch.

Wie ging es dann nach der Landung in Kapstadt weiter?

Als ich gelandet bin, habe ich mir am Flughafen einen Uber genommen und bin in das Gästehaus in der Nähe der Universität gefahren. Man hatte mir nach meiner Anfrage, dass ich mithelfen will, kostenlos eine Unterkunft angeboten, die ich auch gerne in Anspruch genommen habe. Nachmittags bin ich von Doktor Dale Peters abgeholt worden und wurde den Helfern vor Ort vorgestellt. Ich habe dann direkt mit der Arbeit in der Bibliothek angefangen. Wir haben nichts groß gesprochen oder uns einen Plan überlegt, sondern gleich mit der Arbeit begonnen. Ich habe einfach geschaut, was ich machen kann. Die Bergungsarbeiten liefen schon seit einigen Tagen und die Abläufe waren dementsprechend schon gut organisiert.


„Für die Reise musste ich mir keinen Urlaub nehmen, da ich auf selbstständiger Basis arbeite, aber bezahlt habe ich alles selber.“

Welchen Bezug haben Sie zu Südafrika und was fasziniert Sie daran?

Es war diesmal mein fünfter Besuch in Südafrika, von daher fühle ich mich mit dem Land schon sehr stark verbunden. Ich habe während des Studiums zwei Monate Praktikum in Durban gemacht und mich damals in Südafrika verliebt. Seitdem habe ich mehrere Urlaube dort verbracht, den letzten im Januar 2019 in Kapstadt.

Wie war die Lage vor Ort als Sie ankamen und welche Methoden gibt es?

Die Stücke aus dem Lesesaal sind vermutlich alle verbrannt. Da hat der Brand ja hauptsächlich gewütet. Aber alles, was im Keller war, konnte geborgen werden. Hier waren die Stücke vor allem durch das Löschwasser nass. Brandschäden gab es in diesem Bereich zum Glück keine. Es wurde dann von mir entschieden, welche Akten, Pläne und Bücher eingefroren werden sollen. Das ist eine gängige Methode.

Damit gewinnt man Zeit. Die eingefrorenen Objekte können zunächst für eine Zeit lang in diesem Zustand blieben und werden dann nach und nach mit einer Vakuum-Gefriertrockungsanlage wieder aufgetaut und restauriert. Fürs Einfrieren wurde ein alter Schiffscontainer aufgestellt, der erstmal als Kühllager fungierte. Die weniger durchnässen Bücher können auch an der Luft getrocknet werden, dafür muss aber gewährleistet sein, dass die Seiten regelmäßig bewegt werden.

Alles, was im Keller war, konnte geborgen werden. Fotos: privat


„Die eingefrorenen Bücher können erstmal wochen- oder monatelang in diesem Zustand bleiben, bis die Zeit und die Kapazität es zulässt, eine Bearbeitung zu starten.“

Die Schäden die vor dem Einfrieren entstanden sind, können dann nachher restauriert werden. Durch das Einfrieren selber entstehen keine Schäden, wenn es korrekt durchgeführt wird.


Gab es Stücke, bei denen Sie schlucken mussten, weil es Ihnen leidtat?

Ja, es gab sehr verschimmelte Pläne und Bauzeichnungen. Die sind ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Aber auch hier ist es möglich, durch die Restaurierung die Schäden zu reduzieren.

Auch verschimmelte Pläne können gerettet werden. Fotos: privat

Wie viele Helfer waren vor Ort und wie war die Stimmung?

Täglich waren so circa 40 bis 50 freiwillige Helfer vor Ort. Es waren fast ausschließlich Studenten und Bewohner aus Kapstadt. Einige Tage waren auch Restaurierungsstudenten aus Pretoria da.


„Die Stimmung während der Woche, in der ich da war, war super. Die Leute waren offen und herzlich. Ich habe noch immer Kontakt zu Einigen vor Ort.“


Obwohl es eine Freiwilligenarbeit war und es nur eine Verpflegung als Entlohnung gab, haben alle viel Energie gehabt und waren über mehrere Wochen jeden Tag pünktlich vor Ort.


Wie kommt es, dass es in Südafrika selbst so wenig Restauratoren gibt?

Die Restaurierung ist kein Fachbereich wie Wirtschaft oder Technik. Sie ist eher selten auf der Welt und hat keine große Lobby. Die Ausbildung ist, wenn sie gut ist, langwierig und teuer. Wenn man irgendwann mit dem Studium fertig ist, wird man nicht unbedingt reich mit dem Job und dass trotz der langen Lehrjahre. Ich denke, dass schreckt viele ab. In Afrika bzw. Südafrika sind, so meine Einschätzung, andere Studiengänge priorisiert. In Europa und den USA gibt es sicherlich ausreichend Restauratoren. In anderen Gegenden der Welt ist es ein wenig beachteter Beruf.

Wie war das Gefühl geholfen zu haben und wann möchten Sie wiederkommen?

Ich wäre gerne länger geblieben. Ich war wirklich sehr begeistert von der sehr guten Organisation und der tollen Atmosphäre der Helfer. Grundsätzlich war es eine ganz besondere Arbeit, die man so nicht oft erlebt. Und meine Erkenntnis daraus ist, dass ich gerne intensiver bei dieser Form von Notfällen meine Hilfe anbieten möchte. Vermutlich werde ich im kommenden Jahr wieder nach Südafrika zurückkommen um dort bei der Restaurierung der geschädigten Objekte zu helfen.


„Ich würde immer wieder so handeln wie jetzt, weil es einfach Spaß macht zu helfen. Es erweitert Horizont und ist eine berufliche Herausforderung, die man unbedingt annehmen sollte.“

Wie lange wird das Ihrer Meinung nach dauern, alle zerstörten Dokumente der Bücherei wiederherzustellen?

Ich schätze so circa 3 bis 4 Jahre.


Heißer Tipp: Zu dem Brand in der Jagger-Bibliothek ist eine Ausstellung mit Fotos und verbrannten Dokumenten geplant. Wann sie entsteht, steht noch nicht fest. Bleib also gespannt.


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