Steigende Corona-Fälle und eine strauchelnde Tourismusbranche
Mehr als 6.000 Neuinfizierte täglich, überlastetes Klinikpersonal und zu wenig Krankenhausbetten. So sieht im Moment die aktuelle Lage in Südafrika aus.
Das Dilemma: Präsident Cyril Ramaphosa warnte Ende Mai, es werde noch viel schlimmer werden, bevor es besser werde. Doch der wirtschtschaftliche Druck war zu groß , um den strikten Lockdown zu verlängern.
Derzeit verzeichnet das Land 1144.264 Infizierte und mehr als 2.500 Tote. Davon ist das Western-Cape mit 61.375 Infizierten am stärksten betroffen. Gefolgt von Gauteng mit knapp 40.000 Infizierten und das Eastern-Cape mit 26.195 Infizierten. Kapstadt gehört damit zum Brennpunkt. Die einen behaupten, es lege daran, dass hier besonders viel getestet werde, die anderen, dass Kapstadt als Touristenhochburg schon früher betroffen gewesen sein soll als andere Regionen. Besonders schnell breitet sich das Virus in den dicht besiedelten Townships wie Khayelitsha und Imizamo Yethu aus.
Die 55-jährige Krankenschwester Anne McFarlane vom Groote Schuur-Krankenhaus in Kapstadt erzählt uns von ihrem Alltag.
Während sie und ihre Kollegen, sich um das Leben der Infizierten sorgen, bangen Menschen aus der Tourismusindustrie um ihre finanzielle Existenz. Einige Medien berichten, dass die Tourismusbranche bereits im September aufmacht, andere, dass die Wiedereröffnung für Anfang 2021 geplant ist. Offiziell ist noch nichts, dennoch zieht Südafrika eine verfrühte Wiedereröffnung für Reisende schon ab September dieses Jahres in Betracht. Das Warten und das Ungewisse ist für Tour-Guides wie der 28-jährigen Sonja Deutschendorff, die vom Tourismus lebt, eine Katastrophe.
Klinikpersonal ist überlastet „Die Fälle in unserer Provinz nehmen täglich zu“, sagt Krankenschwester Anne McFarlane. Sie ist seit 37 Jahren in ihrem Beruf tätig, davon 35 Jahre im Groote-Schuur-Krankenhaus in Kapstadt. Die 55-jährige Zweifachmutter geht besonnen mit der Situation um. Anne sagt, dass sie keine Angst habe, wenn ein neuer Fall reinkäme, da sie genug Schutz habe und sich an alle Richtlinien halte, die erforderlich seien, um sich selbst vor Covid-19 zu schützen. Was schlimm sei ist die Arbeitsbelastung. Wie sie und ihre Kolleginnen Verna Collins und Judith Parenzee ist die Mehrheit der Schwestern überarbeitet, da es nicht genug Personal gebe. “Und wegen der Arbeitsbelastung haben wir keine Zeit, mit den Patienten zu sprechen oder eine persönliche Verbindung herzustellen”, sagt Parenzee. “Wir sind wie Maschinen. Wir arbeiten die Betten ab, verabreichen Medikamente. Und wieder von vorne. Das menschliche bleibt aus.” Wir sind emotional ausgelaugt. Auch, weil wir sehen, wie schwer es für Patienten ist, keinen Besuch empfangen zu dürfen. “
Starke Auslastung in den Kliniken
Alaric Jabobs, Pressesprecher des Groote-Schuur-Krankenhauses in Kapstadt erzählt, dass es in der Klinik derzeit 25 Covid-19-Stationen gebe. Die Corona-Stationen seien zu 80 % ausgelastet, während die anderen Stationen im Krankenhaus nur bis zu 60 % ausgelastet seien. Auf den Covid-19-Stationen seien 300 Ärzte und 370 Krankenschwestern im Einsatz, davon bisher 296 Mitarbeiter Corona-positiv.
“Ich bin nicht verzweifelt, aber ich muss gestehen, dass uns schlimme Wochen bevor stehen werden.”
Befürchtung und Hoffnung
Gegenwärtig, sagt Schwester Anne, gebe es noch genügend Räume und Beatmungsgeräte. Sollte die Zahl der Infizierten aber drastisch steigen, könnte dies zu erheblichen Problemen führen. Für die Zukunft, sagt die Krankenschwester, wünsche sie sich, dass die Menschen erkennen würden, wie ernst Covid-19 sei. Bis es einen Impfstoff gibt, solle sich jeder mit Masken schützen und verantwortlich sein.
Wolfgang Preiser, Virologe an der Universität Stellenbosch, bereiten aber besonders die ärmeren Provinzen große Sorgen:
“Ich bin nicht verzweifelt, aber ich muss gestehen, dass uns schlimme Wochen bevor stehen werden.”
In Kapstadt habe man die Zeit, die durch den Lockdown gewonnen worden sei, ansonsten verhältnismäßig gut genutzt. In anderen Gegenden des Landes sei dies nicht der Fall.
Tourismusbranche kämpft
Durch die Pandemie sind auch hundertausende Arbeitsplätze in der Tourismusbranche weggebrochen. Zudem haben viele Länder, u.a. auch Deutschland eine Reisewarnung für Südafrika ausgesprochen, was einen möglichen Besuch am Kap unattraktiv macht. "Dabei lauert die Gefahr eher nicht bei einer Reise zu zweit oder dritt in die Natur oder zum Strand, sondern insbesondere dort, wo sich größere Gruppen von Menschen auf engem Raum befinden und auch in geschlossenen Räumen", sagt Preiser.
Der Tourismus ist einer der Lebensadern in Südafrika. Restaurants und Souvenir-verkäufer, Safaris, Tourguides; wenn dieser Wirtschaftszweig nicht zügig wieder aufgenommen werden kann, sieht es düster aus.
Die 28-jährige Deutsche Sonja Deutschendorff ist 2015 nach Südafrika ausgewandert.
Mit einer Stelle im Kundendienst für ein Online-Casino hat sie angefangen und die letzten drei Jahre als Touristenführerin im Westen Cape und in Namibia gearbeitet. Vor dem Lockdown wollte sich die gelernte Bankkauffrau, die ursprünglich aus Koblenz stammt, mit einer eigenen kleinen Eventagentur selbstständig machen. Nun ist sie heilfroh, diesen Schritt noch nicht gegangen zu sein. „Die Tourismusbranche bekommt jetzt zu Corona-Zeiten in Südafrika zu wenig Unterstützung vom Staat“, sagt sie. Die Regierung verstehe noch immer nicht, wie groß die Bedeutung des Tourismus eigentlich sei. Viele Tour-Guides würden derzeit, wie sie, um ihre Existenz kämpfen und "wenn der Sektor nicht bald wieder aufgenommen wird, dann wir das die Tourismusbranche nicht verkraften.”
Offiziell ist noch nichts, dennoch zieht Südafrika eine verfrühte Wiedereröffnung für Reisende schon ab September dieses Jahres in Betracht.
Traumjob mit Existenzangst
Derzeit stecke Sonja bei ihrem Freund in Kwazulu Natal an der Ostküste auf einer Lodge fest und lebe von ihren Ersparnissen. „Die Corona-Soforthilfe, den die Freelancer Guides nun von der Regierung erhalten, kam nur zustande, weil private Organisationen sich für Guides eingesetzt haben. Ansonsten würden wir Freelancer gar nichts bekommen“, erzählt sie. Mit dieser Unterstützung und ihren Ersparnissen könne sie noch circa zehn Monate überbrücken, danach wäre sie pleite. Das Sozialsystem in Deutschland vermisse sie schon. Deshalb hat die junge Frau inzwischen in Erwägung gezogen, zurück nach Deutschland zu fliegen. Allerdings nicht für immer, sondern nur, bis sich die Lage stabilisiert hat. „Einen 9 to 5-Job in Deutschland, wie ich ihn mal hatte, kann ich mir derzeit nicht mehr vorstellen.
Dafür habe ich hier ein zu abenteuerliches Leben mit den Touren geführt“, sagt sie. Ihren Job als Reiseführerin hat ihr Spaß gemacht. „Man reist zu unterschiedliche Plätzen und kann Touristen sein wunderschönes Land zeigen. Selbst lernt man auch immer wieder neue Dinge kennen “, erzählt die Deutsche. Daher habe sie vor Corona überlegt sich mit einer eigenen Agentur selbstständig zu machen und beispielsweise Touren auf dem Pferd anzubieten oder spezielle für Veganer und Vegetarier auf Weinfarmen mit veganen Weinen und ökologischen Gästehäusern.
Ihre Hoffnung für die Zukunft des Tourismus
Ihrer Meinung nach, mache die Regierung zu wenig, um Menschen wie ihr, die in der Tourismusbranche tätig sind, zu helfen. „Einige Besitzer von Gästehäusern mussten schließen und viele Mitarbeiter von Lodges und anderen touristischen Attraktionen wurden entlassen“, schildert sie ihrer Erfahrungen der letzten Wochen. Es sei schade zu sehen, dass die Regierung die Tourismusbranche so wenig beachtet, obwohl es bezüglich der Jobs und des Bruttoinlandproduktes eine sehr wichtige Branche und Einnahmequelle des Landes sei. Für Südafrika hoffe sie, dass der Tourismus nach Corona wieder stark zunehme, da viele Jobs mit der Branche verbunden seien.
Heißer Tipp: Wer eine Reise nach Kapstadt gebucht hat oder buchen will, setzt sich am besten mit dem Reiseanbieter in verbindung. Aktuell werden viele Specials und Gutscheine angeboten.
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