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Trotz Corona-Sturm gibt es im größten Township Kapstadts noch Funken der Lebensfreude

Aktualisiert: 30. Juli 2020

Nach dem strengen Lockdown im März hat Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa viele Restriktionen noch während der steigenden Infektionsrate gelockert. Der wirtschaftliche Druck war einfach zu groß. Jetzt wütet das Coronavirus vor allem in den dicht besiedelten Townships wie zum Beispiel in Khayelitsha.


Khayelitsha, was auf Xhosa so viel bedeutet wie “Neue Heimat”, ist das größte Township Kapstadts. Hier leben rund 400.000 Menschen auf engstem Raum. Obwohl es den Menschen finanziell schlecht geht - viele haben aufgrund der Corona-Krise ihre Arbeit verloren und deshalb wenig zu essen, bleiben sie doch irgendwie positiv und halten nach wie vor zusammen. Glaube, Hoffnung und Lebensfreunde machen sie so stark, dass die Wenigsten ans Aufgeben denken und das Beste aus der Situation machen. Wir haben mit unterschiedlichen Menschen, unter anderem einer Musikerin, einem Café-Besitzer, einer Inhaberin eines Babybekleidungsladens und einem Weinhändler gesprochen.


Suppe statt Songs - Liso Sindo und die Kraft der Musik

Sängerin Lisa verteilt jetzt Suppe statt Songs
Sängerin Lisa verteilt jetzt Suppe statt Songs

Liso Sindo – oder wie sie hier auch genannt wird, Liso The Musician, wohnt schon seit Jahren in Khayelitsha. Sie ist mit Mandisi Sindo, dem Betreiber des „KASI RC Shack Art & Theatre“-Betreibers verheiratet und hat eine vierjährige Tochter.


„Wir sind beide kreative Menschen und die Umsetzung neuer Dinge gibt uns Hoffnung“, sagt Liso. Dazu gehört auch das Theater, dass 2002 eröffnet wurde. Hier unterrichten sie Jugendliche in Schauspiel und Gesang und geben ihnen somit eine sinnvolle Beschäftigung.


Liso hat schon früh mit dem Singen angefangen. Sie stammt aus einer musikalischen Familie, die am Ostkap lebt. „Meine größte Inspiration ist meine Oma. Sie ist diejenige, die den Samen zum Singen in mir gepflanzt hat“, erzählt sie. Mit ihr zusammen habe sie angefangen, Lieder zu schreiben und zu komponieren.


Das habe ihr so viel Spaß gemacht, dass sie sich ab da entschied, Sängerin zu werden. Sie studierte an der Universität in Kapstadt Drama und soziale Entwicklung, ging 2018 ins Tonstudio und nahm ein Album mit sieben Liedern auf. Innerhalb eines Jahres habe sie mehr als 3.000 Exemplare verkauft. „Meine Texte handeln von meinen persönlichen Erfahrungen des Aufwachsens und den Dingen, die ich in Khayelitsha so erlebe“, erzählt Liso, die hauptsächlich auf ihrer Muttersprache Xhosa singt.

Ich war auf dem Höhepunkt meiner Musikkarriere, als das Corona-Virus kam.

Ich war auf dem Höhepunkt meiner Musikkarriere, als das Virus kam.

Corona hat unser Leben wirklich massiv gestört, aber es hat uns irgendwie auch näher zu unseren Freunden und unserer Familie gebracht und uns gezwungen, neu zu starten und uns neu zu besinnen“, sagt Liso.

Wegen Corona wurden ihre Auftritte abgesagt, die weit im Voraus geplant waren. Stattdessen engagiert sie sich jetzt zusammen mit ihrem Mann Mandisi für ihre Community im Township. Sie kocht Suppe, verteilt sie, hilft bei Lernprogrammen für Kinder. Und das macht sie jetzt mit genauso viel Leidenschaft wie das Singen, denn die Jugendlichen vom Theater sind ihr und ihrem Mann inzwischen längst ans Herz gewachsen.


Niemals aufgeben - Lindile Nzaba und die treibende Kraft seines Business Der 33-jährige Lindile Ndzaba hat mit dem Verkauf und Vertrieb von Wein eine Marktlücke in Khayelitsha für sich gefunden. 2018 hat der zweifache Vater sein Unternehmen mit der Unterstützung eines Freundes gegründet, der ihm beim Outsourcing und bei der Herstellung des Weins in den Weinbergen geholfen hat.

Geschäftsmann Nzaba sucht nach Möglichkeiten zu exportieren
Geschäftsmann Nzaba sucht nach Export-Möglichkeiten

Seit 2009 hat Lindile in der Gastronomie gearbeitet, unter anderem auch als Barkeeper. So ist bei ihm, wie er selbst sagt, die Leidenschaft für Wein entstanden. Er selbst trinke und koche gerne mit Wein.


Bei der Gründung seiner Geschäftsidee habe er keine Sorge gehabt, dass es nicht klappen könnte, schließlich habe es eine große Lücke im lokalen Weinhandel gegeben.


„Ich war sehr zuversichtlich, dass es gut geht“, sagt Lindile. Die Mittel habe er aus eigener Tasche finanziert.


Die Weiß- und Rotweine, die er verkaufe, werden in Boplaas bei Calitzdorp und in Stellenbosch angebaut. Pro Jahr kämen so über 10.000 Liter Wein zusammen. „Derzeit werden sie noch von erfahrenen Winzern hergestellt, aber ich bin dabei, es selbst zu lernen,“, erzählt Lindile. Seine Weine werden in Restaurants und Shops in Khayelitsha und in ausgewählten Bars in der Kapstädter Innenstadt angeboten.


„Ich sehe die Krise so, dass wir nur so viel tun können, wie wir können. Es hilft ja nichts. Es geht immer weiter und wir können weiter machen und die von der Regierung festgelegten Regeln unterstützen“, betont der Weinliebhaber.


Aufgrund des Alkoholverkaufsverbot stapeln sich die Kisten

Jetzt zur Corona-Krise, sagt Lindile, laufen die Dinge anders als vorher. Vor Ort können die Menschen seinen Wein nicht mehr probieren.

Der direkte Verkauf sei aufgrund des aktuellen Alkoholverkaufverbots nicht mehr gestattet und auch die Lieferung habe er erstmal einstellen müssen.

Normalerweise verschickt und liefert er seine Weine auch landesweit an seine Kunden. Auf seinem Facebook- und Instagram-Account @khayelitshasfinestwines hält er seine Kunden auf dem Laufenden.



Sikis beliebter Treffpunkt im Township – Sikelea Dibela ist mit Herzen Barista

Mit einem eigenen Café hat sich Sikelea Dibela vor vier Jahren selbstständig gemacht. „Nachdem ich zwei Jahre lang in London gelebt und in der Gastronomie – unter anderem auch in einem Café gearbeitet habe, ist bei mir der Wunsch entstanden, in Khayelitsha ein eigenes aufzumachen“, erzählt der 31-Jährige stolz. Sein Café sei das einzige in dem Township.

Noch kommen Kunden zu Siki ins Café
Noch kommen Kunden zu Siki ins Café

Das nötige Wissen als Barista habe er sich in der englischen Hauptstadt angeeignet und Mitarbeiter vor Ort geschult. Bei der Gründung seines eigenen Cafés sei ihm immer wichtig gewesen, sein Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren und es gradlinig bis zum Schluss zu verfolgen.


Neben seiner eigenen Kaffeemarke Sikis bietet er auch Sandwiches, Kuchen, Muffins und Kekse an. Ein Großteil seiner Gäste komme aus der Gegend.


„Ich habe viele liebe Stammkunden“, erzählt Sikelea. Bei den Touren durch das Township kämen auch Touristen vorbei, die es jetzt natürlich nicht gebe. Seine Kunden informiert er über Twitter @sikiskoffeekafe und Instagram @sikis_koffee_kafe.

Mein Café ist mein Lebenswerk

„Ich hatte von Anfang an und jetzt auch noch, viel Unterstützung von Freunden, Familie und Angehörigen“, sagt er.


Jetzt zu Corona, erzählt der 31-Jährige, halte er die strengen Gesundheitsmaßnahmen genau ein – trage eine Maske, säubere die Tische mit Desinfektionsmitteln und bitte die Kunden, sich vor und nach dem Besuch in seinem Laden die Hände zu desinfizieren. All das sei ihm wichtig, damit er sein Café nicht schließen müsse und seine Stammgäste weiter zu ihm kämen. Schließlich sei das Café sein Lebenswerk.


Liebe und Durchhaltevermögen - Zandile Thlapi findet Kraft in ihrer Ehe


Meine Ehe gibt mir Kraft
Meine Ehe gibt mir Kraft

Als Zandile Thlapi mit ihrem zweiten Kind schwanger war, kam der werdenden Mutter die Idee, einen Babyladen in Khayelitsha zu eröffnen. Gesagt, getan. Am 11. Juni 2018 eröffnete sie das Geschäft „Baby Friendly.“

Bei Facebook @BabyFriendlyKhayelitsha informiert sie ihre Kunden über die neuesten Angebote und im Laden verkauft sie Babykleidung, Ausstattung und Spielzeug oder vermietet es.

„Die Idee war, dass in den Häusern in den Townships viele Menschen auf engstem Raum leben, die froh sind, wenn sie Dinge, die sie nicht mehr brauchen, loswerden können“, sagt sie. Daher wäre es sinnvoll, Babykleidung, die sie nicht mehr benötigen, an andere weiter zu geben und so noch ein bisschen Geld zu verdienen.


Für die Käufer bestehe der Vorteil daran, zum einen natürlich weniger Geld für gebrauchte Kleidung auszugeben als neue und zum anderen, dafür nicht in die Stadt fahren zu müssen, sondern kurze Wege zu haben. Anfangs habe sich die gelernte Kesselbauerin Sorgen gemacht, wie ihr Geschäft anlaufen würde, aber ihr Wunsch, einen eigenen Laden zu haben, sei einfach größer gewesen. Auch heute noch, sei das Tagesgeschäft ein Kampf, aber sie schaffe es, sich immer wieder durchzusetzen und den Alltag so zu nehmen, wie er komme.

Im Moment bin ich damit beschäftigt, Masken herzustellen.

„Mein Ehemann sieht in mir mein Potenzial und wie weit ich gehen kann. Er ist meine größte Inspiration“, sagt Zandile. Zu Corona-Zeiten verkauft sie nicht nur Babykleidung, sondern auch Stoffmasken, die dringend gebraucht werden. Kürzlich habe sie 1000 Stück hergestellt.


Familie statt Fashion - Bongani Matenjwa setzt neue Prioritäten


Familie statt Fashion - Corona verändert Prioritäten
Familie statt Fashion - Corona verändert Prioritäten

Einmal im Jahr hilft der 27-jährige Bongani Matenjwa die „Khayelitsha Fashion Week“ zu organisieren und bringt Designer aus dem Township und benachbarten Regionen zusammen. Das Projekt, auf Facebook unter @KhayelitshaFashionWeekpage, wurde 2016 ins Leben gerufen.


Bongani war auf einer Modenschau in Khayelitsha und hat gesehen, dass hier zwar Mode präsentiert wird, aber es noch zu wenig Möglichkeiten gibt, die Designer bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dies wollte er mit der professionellen Fashion-Show ändern, in der sich die Kreativen untereinander austauschen und so ihr eigenes Fashiongeschäft aufbauen.


Aufgeben ist keine Lösung
Aufgeben ist keine Lösung

Finanziert habe er einen Teil aus eigener Tasche und mit der Unterstützung der ehemaligen Bürgermeisterin Patricia de Lille. Der 27-Jährige sah, dass es bisher noch keine Modenschauen in Kapstadt gab. So war er sich sicher, dieses Ziel weiter zu verfolgen.


„Anfangs haben die Menschen in Khayelitsha nicht verstanden, was die Fashion Week genau ist. Sie dachten, es sei sowas ein Wettbewerb für eine Misswahl. Wir haben es geschafft, ihnen zu zeigen, was es ist“, erzählt Bongani.


Dieses Jahr habe die Veranstaltung im April aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden müssen. Die Einnahmen, die dadurch gekommen wären, fehlen jetzt. Dabei habe man nächstes Jahr das 5-jährige Bestehen feiern wollen. Das stehe jetzt auf der Kippe. Er habe sich derzeit aus dem Geschäft zurückgezogen und kümmere sich um seine Familie.

Wenn wir uns an die Regeln halten, schaffen wir es, auch schneller wieder rauszukommen

„Die Situation ist für Unternehmen derzeit schwer, einige müssen sogar schließen. Die Menschen gehen unterschiedlich damit um. Manche haben alle Hoffnung, andere resignieren. Aber die Situation ist eben so. Wenn wir uns an die Regeln halten, schaffen wir es, auch schneller wieder rauszukommen“, sagt er.


Weiter kämpfen statt aufgeben – Adri Williams und ihre Keksfabrik


Adri und Eunice suchen nach neuen Wegen ihre Kekse zu verkaufen
Adri und Eunice finden Kraft im Zusammenhalt

Vor über zehn Jahren ist Adri Williams zu „Khayelitsha Cookies“ gekommen und hat seitdem die Geschäftsleitung der Keksfabrik in Khayelitsha übernommen. Inzwischen zusammen mit der 59-jährigen Eunice Nyobole, die sich von der Bäckerei-Managerin bis ganz nach oben in die Firmenleitung hochgearbeitet hat und ihr jetzt unterstützend zur Seite steht.


Die 41-jährige Adri Williams ist zweifache Mutter und kommt ursprünglich aus Johannesburg. Sie hatte die Vision, in der Fabrik Frauen eine Chance zu geben, die woanders aufgrund fehlender Qualifikation und unzureichenden Englischkenntnissen, keine Arbeitsstelle gefunden hätten. Adri beteiligt sie zusätzlich zum Gehalt mit 30 % am Gewinn.

Im Laufe der Jahre konnten die Frauen ihre Lebensbedingungen verbessern und zwischen fünf und sieben Familienmitglieder mit ihrem Gehalt unterstützen

Die Geschäftsfrau beschäftigt rund 100 Frauen, die aus Khayelitsha und Elsie's River, einem Vorort von Kapstadt kommen. Vor der Krise wurden hier zwischen 60.000 und 70.000 Kekse am Tag produziert - einzeln gebacken und verpackt. Heute sind es weitaus weniger. Die Frauen sind jetzt nur noch montags und dienstags da.


The Keksbusiness must go on!
The Keksbusiness must go on!

Die Auftragslage gibt nicht mehr her. Vor der Krise waren 65 % der Kunden aus dem Gastrogewerbe, die restlichen aus dem Einzelhandel sowie von Firmen- und Cateringfirmen. Da die Tourismusbranche weggebrochen ist, fehlt jetzt natürlich der größte Teil des Kundenstamms.


Damit Adri Williams die Frauen nicht entlassen muss, die so dringend auf die Stellen angewiesen sind, hat sie sich an den Staat gewandt und auf finanzielle Hilfe aus dem Arbeitslosenversicherungsfonds gehofft. Die kommt allerdings erstmal nicht, da sich aufgrund der vielen Anträge Rückstaus gebildet haben. Also bleibt ihr nur die Möglichkeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und ganz schnell neue Abnehmer für die Kekse zu finden.


„Schwierig in dieser Zeit, in der die Wirtschaft so ist, wie sie ist, kämpfen wir weiter und suchen nach neuen Ideen und Wegen, Geschäfte zu machen“, sagt die ambitionierte Geschäftsfrau.

Heißer Tipp: Wer sich Khayelitsha einmal ansehen möchte, sollte das auf keinen Fall auf eigene Faust tun, sondern eine fachkundige und nachhaltige Tour buchen. Anbieter wie Amatikulu Township Tours stellen sicher, dass die Führung angemessen ist. So wirst Du Khayelitsha, eines der größten Townships von Kapstadt, hautnah erleben. Khayelitsha besteht zum einen Teil aus gemauerten Häusern und zum anderen Teil aus notdürftigen und provisorischen Hütten. Khayelitsha hat einen eigenen Fernseh- und Radiosender.


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